Tracking und Tracing in der Batterieproduktion
Motivation
Der Aufbau einer wirtschaftlichen und nachhaltigen Batteriezellproduktion ist nach wie vor eine Herausforderung, die Deutschland bewältigen muss, um im globalen Wettbewerb als Anbieter im Bereich der Elektromobilität eine führende Position einzunehmen. Die Umsetzung dieser Vision wird durch Industrie 4.0-Anwendungen unterstützt, die eine Transformation der Produktion hin zu effizienteren Prozessen, höherer Qualität und Kosteneinsparungen ermöglichen. Die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien zeichnet sich durch eine hohe Komplexität aus und beinhaltet eine hohe Anzahl unterschiedlicher sowohl kontinuierlicher als auch diskreter Materialflüsse und Prozesse. Ein erster Schritt zur Beherrschung der Komplexität und Gestaltung einer effizienten Produktion ist die Schaffung von Transparenz durch systematische und gezielte Datenerfassung.
Projektinhalt
Ziel des Forschungsprojekts „TrackBatt“ ist die Entwicklung und prototypische Umsetzung eines Ansatzes zur lückenlosen Rückverfolgung („Tracking und Tracing“, kurz T&T) der Prozess- und Produktdaten in der Batterieproduktion über die Prozesskette hinweg. Hiermit soll ermöglicht werden, die Performance und potenzielle Schadensbilder hergestellter Batteriezellen eindeutig auf Produktionsprozesse und -parameter zurückzuführen. Zudem können Inline-Prozessregelungen und Produktionssteuerungen befähigt werden, welche die Herstellungskosten reduzieren und die Qualität der Batteriezellen erhöhen. Die wesentlichen Aspekte bei der Implementierung eines T-&-T-Systems sind die Auswahl der geeigneten Markierungstechnologie und der markierten Objekte bzw. Zwischenprodukte entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Weiterhin sind die Übertragung der Informationen von kontinuierlichen auf diskrete Fertigungsprozesse und die Bestimmung der optimalen Granularität der rückverfolgbaren Informationen essenziell. Für eine eindeutige Rückverfolgung der Prozess- und Produktdaten wird im Rahmen des Projekts eine ontologiebasierte Datenstruktur für den digitalen Zwilling sämtlicher Materialien, Zwischenprodukte und Zwischenstruktureigenschaften bis zur finalen Batteriezelle entwickelt.
Projektziele
Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung und prototypische Umsetzung eines Ansatzes zur lückenlosen Rückverfolgung („Tracking und Tracing“, kurz T&T) der Prozesse bzw. der Prozesskette in der Batterieproduktion. Hiermit können Performance und Schadensbilder hergestellter Batteriezellen eindeutig auf Produktionsprozesse und ‑parameter zurückgeführt werden. Dies ermöglicht eine inline-Prozessoptimierung, welche den Ausschuss ganzer Zellbatches verhindert. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes werden geeignete Markierungen für das T&T-System der Batteriezellen von der Elektrodenfertigung bis zur Formierung erarbeitet, eine globale Datenerfassung realisiert sowie eine gesamtheitliche Auswertung ermöglicht. Hierzu werden etablierte Technologien aus artfremden Produktionslinien (z. B. lasergestützte Markierung) und Expertise aus anderen Branchen eingesetzt sowie innovative Technologiekonzepte (z. B. Fingerprintmethode) untersucht, mit dem Ziel, den Technologie-Reifegrad von 2 auf 6 bzw. von 0 auf 4 zu erhöhen. Mit Hilfe der hierbei generierten Ergebnisse lassen sich standardisierte Methoden zur Implementierung von T&T-Systemen für verschiedene Zellformate und das entsprechende Datenmanagement ableiten.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Daub
Technische Universität München
Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb)
Boltzmannstr. 15, 85748 Garching b. München
Tel.: +49 89 289 15504
E-Mail: ruediger.daub@iwb.tum.de
Projektlaufzeit
01.10.2020-31.03.2024
Themenfeld
Förderkennzeichen
03XP0310A
Technologietransfer
Die Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien besteht aus kontinuierlichen verfahrenstechnischen Prozessen sowie Einzelteilfertigungsprozessen mit konvergierenden und divergierenden Materialflüssen. Eine der zentralen Herausforderungen der Produktion besteht in der Sensibilität der Batteriezellkosten gegenüber möglichen Produktionsfehlern oder Ungenauigkeiten. Hierfür sind klassische Maßnahmen des Qualitätsmanagements wie eine konventionelle Chargenrückverfolgung zumeist nicht ausreichend. Aufgrund der hohen Wertströme in der Batterieproduktion verursacht der Ausschuss ganzer Zellbatches überproportionale Kosten. Um eine höhere Qualität (z. B. maximale Kapazität, hohe Energiedichte) zu gewährleisten, wird in der Literatur vermehrt auf in der Digitalisierung eingesetzte Ansätze durch datengestützte Methoden und Anwendungen zurückgegriffen. Dieser Rückgriff zielt darauf ab, unbekannte Zusammenhänge oder Interdependenzen in der Herstellungsprozesskette auf Basis erhobener Produktions- und Qualitätsdaten aufzudecken. Sämtliche Methoden bedürfen einer hohen Vielfalt sowie produktspezifischer Zuordnung konsistenter Daten, um ihr volles Potenzial ausschöpfen zu können. Die Kombination kontinuierlicher und diskreter Fertigungsprozesse in der Batterieproduktion hat oftmals die Inkonsistenz von Produktionsdatensätze zur Folge. In der Literatur wurden T&T-Ansätze im Bereich der Batteriezellproduktion bisher nicht beschrieben; mittlerweile hat auch die Industrie diese Herausforderung erkannt.
In der Industrie werden in vielen Branchen Markierungen wie Barcodes mittels Tintenstrahldrucker oder der Einsatz von RFID zur konventionellen Nachverfolgung von Produkten verwendet. Eine Nachverfolgung durch diskrete Markierungen bis auf Zellebene wurde bisher allenfalls rudimentär realisiert. Informationen zu Flächengewichten oder weiteren Elektrodenstrukturmerkmalen gehen zumeist (spätestens) bei der Vereinzelung der Elektrodensheets aus dem kalandrierten Coil gänzlich verloren. Eine neuere und innovativere Methode stellt das Markieren mittels DataMatrix-Codes dar, die sowohl mit Lasersystemen als auch mit Tintenstrahldruckern erfolgen kann. Eine längere Anlagenlebensdauer ermöglicht einen kostengünstigeren Einsatz über die Gesamtlaufzeit hinweg als konventionelle Tintenstrahldrucker. Einen weiteren Forschungsansatz bietet die Nachverfolgbarkeit über Produktmerkmale wie beispielsweise über Fingerprints, die Verteilung der Massenbeladung oder Schichtdicke. Ziel des Projektes ist es, mittels bereits vorhandener oder neuartiger Messsysteme charakteristische Merkmale der Elektrode zu identifizieren und durch den Abgleich der Daten Elektrodenstruktureigenschaften auf Zellebene zuzuordnen. Die Nachverfolgbarkeit mit Auflösung bis auf die Elektrodenebene (Segmente: Wickellänge, Einzelblattebene) entspricht nicht dem derzeitigen Stand der Technik. Ein entsprechendes Datenmanagement für alle kontinuierlichen Datensätze bis auf einzelne Elektroden in automatisierter Verarbeitungsweise und mit geeigneten Auswerte- und Analysemethoden ist hierfür erforderlich, um so das Potential eines T&T-Ansatzes nutzen zu können. Dies ermöglicht die Ableitung neuer Fähigkeiten wie die Minimierung von Ausschuss (z. B. Wickelabschnitte nach Fehlerauslassung schneiden über vernetzte Maschinenkommunikation Industrie 4.0), die Generierung engerer Zellvarianzen auf Basis physikalischer Elektrodenparameter (z. B. Massenbeladungsvarianz der Zelle – individuelle Sortierung), die echtzeitfähige Datenauswertung sowie modellbasierte Analysen und Prozessoptimierungen (z. B. massenbeladungsbasierte Elektrodensortierung für engere Zellvarianz – analog Zell-Kapazitätssortierung in der Batteriemodulfertigung).
Im Rahmen des Forschungsprojekts TrackBatt wurden inhaltlich drei thematische Schwerpunkte bearbeitet:
Schwerpunkt 1: Entwicklung und Implementierung eines Tracking-und-Tracing-Systems unter Einsatz von Markierungen zur genauen Zuordnung von Daten auf der Elektrodenblattebene
Bei der Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien (LIB) werden die elektrochemischen Zelleigenschaften maßgeblich in der Elektrodenfertigung eingestellt und beeinflusst. Um ein tiefgehendes Prozessverständnis aufzubauen und unbekannte Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufzudecken, ist es daher wichtig, die Produktionsdaten bereits in der Elektrodenfertigung einzelnen Elektroden zuzuordnen, anstelle sie lediglich dem gesamten Elektroden-Coil zuzuordnen. Dadurch lassen sich feingranulare Analysen durchführen und Zusammenhänge gezielter darstellen. Hierfür wurden zwei Ansätze zur Segmentierung der hergestellten Elektroden im Beschichtungsprozess in der Produktionslinie untersucht, um diskrete Abschnitte für Tracking-und-Tracing-Anwendungen bereitzustellen. Laser- und Tintenmarkierungssysteme wurden verwendet, um eindeutige Markierungen aufzubringen, die anschließend für die Zuordnung von Produkt- und Prozessdaten ausgelesen werden. In Abbildung 1 sind die aufgebrachten Lasermarkierungen in der Pilotlinie des iwb gezeigt. Abbildung 2 zeigt die aufgebrachten Tintenmarkierungen auf den Elektroden des ZSW. Für beide Markierungssysteme müssen geeignete Integrationsanforderungen erfüllt werden, um lesbare Markierungen aufzubringen. Die Anforderungen für beide Markierungssysteme werden aus dem jeweiligen Betriebsmodus abgeleitet und miteinander verglichen. Des Weiteren wurde der Einfluss der Markierung auf die zellinterne Kontaktierung untersucht, welcher individuell für die verwendeten Materialien und das eingesetzte Markierungsverfahren bewertet werden muss. Es wurde zudem gezeigt, dass Lasersysteme technisch anspruchsvoller und kostenaufwendiger zu integrieren sind als Tintensysteme, jedoch eine größere geometrische Flexibilität bieten. Darüber hinaus wird erläutert, wie beide Markierungstechnologien in die jeweiligen Beschichtungslinien für Lithium-Ionen-Batterieelektroden innerhalb der Pilotproduktionslinien an zwei Forschungseinrichtungen integriert sind. Die Rückverfolgbarkeit von Produktdaten zu einzelnen Elektrodenabschnitten wurde unter Verwendung von in-line und handgemessenen Elektrodenbeladungsdaten demonstriert. Des Weiteren wurde gezeigt, dass die einzelnen Batteriezellen in der Zellassemblierung mittels Markierungen auf dem Zellgehäuse eindeutig identifiziert und den entsprechenden Produktionsdaten zugeordnet werden können.
Schwerpunkt 2: Entwicklung eines Digitalisierungskonzepts und einer Datenstruktur für den digitalen Zwilling
Die lückenlose Rückverfolgung im Produktionsprozess der LIB erfordert eine klare Interpretation und Verknüpfung von Entitäten wie Produkt, Prozess, Maschine, Material und Mensch. Die Entwicklung einer Ontologie für das T&T in der Batteriezellproduktion auf Basis eines Wissensgraphen ermöglicht dieses Verständnis. Die Ontologie repräsentiert eine allgemeingültige, modulare Darstellung, welche die Beziehungen zwischen Datensätzen und die Verknüpfung von Informationen abbildet. Die darauf basierende Datenstruktur für ein universelles T&T-System wurde erfolgreich mit Projektpartnern durch einen Demonstrator validiert.
Die Datenerfassung und -verarbeitung in der LIB-Produktion integriert physische und virtuelle Aspekte. Ziel ist es, das Wissen entlang der Batteriezellproduktion zu erfassen und in einem Wissensgraphen abzubilden. Workshops mit Prozessexperten und Umfragen wurden genutzt, um aktuelles Wissen zu erfassen und zu formalisieren. Die Herausforderungen liegen in der mangelnden Interoperabilität existierender Daten und der unsystematischen Erfassung von Wissen. Das IWF formalisierte Erkenntnisse und überführte sie in eine allgemeingültige Ontologie als Grundlage für die Dateninfrastruktur.
Der Wissensgraph und die Ontologie adressieren zwei zentrale Herausforderungen: die Interoperabilität existierender Daten und die unsystematische Erfassung von Wissen. Das IWF definierte Schnittstellen und Beziehungen zwischen physischer und virtueller Welt. Die digitale Infrastruktur für die Datenerfassung und -verknüpfung in der heterogenen Prozesskette der LIB-Produktion ist komplex. Daher wurde ein Werkzeug zur Entscheidungsunterstützung entwickelt, basierend auf dem Wissensgraphen und der Ontologie, um die Auswahl geeigneter Methoden zur Datenerfassung und -verknüpfung zu erleichtern. Diese Ergebnisse bilden eine Grundlage für die Auslegung der Datenerfassung und des T&T in der LIB-Produktion und sind auf verschiedene Prozessketten übertragbar.
Schwerpunkt 3: Entwicklung eines hybriden Messsystems für das Tracking und Tracing der Produkt- und Prozessdaten
Im Rahmen von Schwerpunkt 3 wurden verschiedene Inline-Sensoriken eingehend analysiert und implementiert. Das vorrangige Ziel dieses Untersuchungsbereichs bestand darin, die im Inline-Modus erfassten Messungen als repräsentative Qualitätsindikatoren zu etablieren. Zu diesem Zweck erfolgte eine disaggregierte Analyse der ermittelten Daten auf Ebene der einzelnen Blätter, gefolgt von einer präzisen Qualitätsbewertung der jeweiligen Blätter. Sofern die individuellen Eigenschaften der Sensoren dies zuließen, wurde darüber hinaus die Möglichkeit einer Datenerfassungsmethode zur Generierung eines eindeutigen „Fingerprints“ untersucht, der eine Zuordnung ohne Verwendung der Markierung ermöglichen würde. Für die Implementierung des hybriden Ansatzes wurden vor und nach der Kalandrierung Bildaufnahmen der Elektroden erstellt. Diese dienten als Grundlage für die präzise Zuordnung verschiedener Abschnitte mittels Bilderkennung, wie in Abbildung 3 dargestellt.
Für jeden erkannten Fehler wurde ein „Suchfenster“ definiert, das den Fehler räumlich umgibt. Der betrachtete Fehler befindet sich dabei in einer festen Ecke dieses Fensters, während alle weiteren Fehler innerhalb des Fensters durch ihre jeweiligen Koordinaten gekennzeichnet sind. Bei aufeinander folgenden Aufnahmen wurde ein Abgleich dieser Koordinaten durchgeführt, um Veränderungen zu detektieren. Die erreichte Genauigkeit der Zuordnung betrug in diesem Zusammenhang beeindruckende 95 %. Durch diese Methode ist eine präzise Zuordnung der Elektrodenabschnitte möglich. Mithilfe der Inline-Fehlerdetektion kann eine Fehlerkarte erstellt werden und sämtliche zusätzlichen aufgezeichneten Daten können dieser Fehlerkarte zugeordnet werden. Die aufkommenden Fehler dienen dann als Referenzpunkte für die jeweiligen Abschnitte.
Legende
In der Batteriezellproduktion fallen unzählige qualitätsentscheidende Produktionsdaten an. Wir stellen ein Traceability-Konzept vor, welches die Rückverfolgung entscheidender Produkt- und Prozessdaten prozesskettenübergreifend ermöglicht.
Technische Universität München (TUM)
Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb)
Bolzmannstraße 15, 85748 Garching b. München
Tel.: +49 89 289 15500
E-Mail-Adresse: Ruediger.daub@iwb.tum.de
Für die Identifikation von Elektroden werden aufgebrachte Markierungen mittels Tinten- oder Lasermarkierungs-Systemen benötigt. Hierfür stellen wir Machbarkeits- und Umsetzungsstudien für Mess-, Markier- und Auslesetechniken vor.
Technische Universität Braunschweig
Institut für Füge- und Schweißtechnik
Langer Kamp 8, 38106 Braunschweig
Tel.: +49 (0) 531 391 95500
E-Mail-Adresse: k.dilger@tu-braunschweig.de
Projektpartner
Technische Universität München (TUM)
Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb)
Boltzmannstr. 15, 85748 Garching b. München
Vertreten durch Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Daub
www.mec.ed.tum.de/iwb
Technische Universität Braunschweig
Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik (IWF)
Langer Kamp 19b, 38106 Braunschweig
Vertreten durch Prof. Dr.-Ing. Christoph Herrmann
www.tu-braunschweig.de/iwf
Technische Universität Braunschweig
Institut für Füge- und Schweißtechnik (ifs)
Langer Kamp 8, 38106 Braunschweig
Vertreten durch Prof. Dr.-Ing. Klaus Dilger
www.tu-braunschweig.de/ifs
Technische Universität Braunschweig
Institut für Partikeltechnik (iPAT)
Volkmaroderstr. 5, 38104 Braunschweig
Vertreten durch Prof. Dr.-Ing. Arno Kwade
www.tu-braunschweig.de/ipat
Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)
Fachgebiet Produktionsforschung (ECP)
Lise-Meitner-Str. 24, 89081 Ulm
Vertreten durch Dr. Wolfgang Braunwarth
www.zsw-bw.de